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Gottfried Gerstbachs Himmelvorschau Jänner 2022

BeitragVerfasst: Sa 8. Jan 2022, 18:54
von Laadoc
Liebe Mitglieder des Österreichischen Astronomischen Vereins, liebe Sternfreundinnen und Sternfreunde!

Wir wünschen ein Gutes Neues Jahr!
Das Programm 2022-1 wurde letzte Woche versendet. Die nächsten Termine sind:
• Sa 8.1., 16:30, Sterngarten: Ein seltener An¬blick¬ – ¬die Planeten-Parade Merkur,¬ Saturn,¬ Jupiter¬ und¬ Mondsichel;¬ mit¬ Maria¬ Pflug¬-Hofmayr;¬ Fernglas¬ mitnehmen!
• Fr 14.1., 19h: Astro-Basics 1 –¬ Himmelskugel,¬ Sonnenbahn, Zeit, Koordinatensysteme; mit Wolfgang Vollmann und Peter Messner. Die neue Serie für Astro-Einsteiger und zum „Auffrischen“ – Anmeldung hier – wird am 11.3. mit Astro-Basics 2 (von Babylon bis Galilei) fortgesetzt, gefolgt von „Astrophysik für Einsteiger“ und am 6.5. mit dem Planetariumsprogramm „Stellarium“.
• Fr 28.1., 19h: Sonne und Zeit ¬–¬ nicht¬ ganz¬ alltägliche Sonnenuhren. Vortrag mit Kurt Descovich (voraussichtlich online)
• So 30.1., 18h, Sterngarten: Die Suche nach Exoplaneten¬ –¬ Helvetios¬ (51 Pegasi) und¬ Dimidium;¬ mit¬ Franz Vrabec, Erika Erber und Bernhard Dewath. Fernglas¬ mitnehmen!

Monatliches Astro-ABC

H-alpha oder Hα ist die hellste und wichtigste Spektrallinie des angeregten Wasserstoffs. Sie liegt im roten Licht bei 656 Nanometer Wellenlänge (0,000 656 mm) und entspricht der Energiedifferenz eines Elektrons beim Sprung vom zweiten zum dritten Energieniveau seiner Bahn oder umgekehrt (dunkle Absorptions- bzw. helle Emissionslinie). Die Hα-Linie ist von besonderer Bedeutung für die Sonnenforschung (Chromosphäre) und die hellste einer ganzen Serie von Linien, der Balmer-Serie:
Hβ (486 nm, grünblau, Sprung 2–4), Hγ (434 nm, blauviolett, Sprung 2–5), Hδ (410 nm, violett, Sprung 2–6) usw. Die Serie vom tiefsten Energieniveau nach oben heißt Lyman-Serie (im UV), jene vom 3. Niveau Paschen-Serie (im Infrarot).

Hertzsprung-Russell-Diagramm (HRD), nach E.Hertzsprung und H.Russell 1913. Im wichtigsten Diagramm der Astrophysik wird die absolute Helligkeit der Sterne über ihrer Spektralklasse (O-B-A-F-G-K-M) oder dem Farbindex aufgetragen. Über 90% der Sterne liegen entlang der schrägen Hauptreihe – links oben blaue Riesen, mittig die Sonne (Spektraltyp G2), rechts unten Rote Zwerge – dem Gleichgewichtszustand der Sterne während des Wasserstoffbrennens. Die Position im HRD ändert sich kaum und hängt von der anfänglichen Masse des Sterns ab. Erst am Ende seiner Entwicklung „wandert“ der Stern als Roter Riese nach rechts oben in den Riesenast und schließlich als Weißer Zwerg nach links unten.

Himmelsmechanik: Teilgebiet der klassischen Astronomie, untersucht die Bewegungen der Himmelskörper unter dem Einfluss ihrer gegenseitigen Gravitation. Wenn zu einem bestimmten Zeitpunkt Ort und Geschwindigkeit aller beteiligter Himmelskörper bekannt sind, lassen sich die auf jeden Körper ausgeübten Kräfte und ihre weiteren Bahnen durch Differentialgleichungen 2.Ordnung berechnen. Bei nur zwei Körpern (z.B. Sonne +Planet, Doppelstern-System) sind es Kepler-Ellipsen, bei mehr Himmelskörpern ist die Bahnbestimmung nur schrittweise möglich (siehe Dreikörperproblem, Sept.-Newsletter).


Astronomische Übersicht

Anfangs stehen Jupiter, Saturn und Merkur tief im Südwesten, doch verschwinden letztere um die Monatsmitte in der Abenddämmerung. Vom 5. bis 7. Jänner bereichert die Mondsichel diese „Planetenparade“ –> siehe beiliegendes Stellarium-Bild.

Im Westen sieht man bis 19h noch das ganze Sommerdreieck, während im Osten schon das Wintersechseck emporgestiegen ist. Im Süden stehen Widder und Walfisch, in Zenitnähe Kassiopeia, Andromeda und Perseus.
Von den Quadrantiden (Maximum am 3.1.) sind bis 6. Jänner noch einige Dutzend Meteore pro Stunde zu erwarten.


Sonnenbahn und Dämmerung
Zum Jahresbeginn ein netter Spruch aus dem Traunviertel, den meine Edith als Kind gelernt hat: Der Tag verlängert sich
• zu Weihnacht um an Mückenschritt – zu Neujahr um an Hahnentritt,
• Dreikönig um an Hirschensprung – zu Lichtmess um a ganze Stund.
Warum ist eigentlich der späteste Sonnenaufgang nicht zur Sonnenwende, sondern erst am 1. Jänner? Wegen der geheimnisvollen Zeitgleichung mit ihren zwei Ursachen (Ellipsenbahn der Erde und Schiefe der Ekliptik).

Im Jänner verlängert sich der helle Tag von 8,4 auf 9,4 Stunden. Die Sonnenwende war am 21.12. um 17 Uhr.

Der Sonnenaufgang in Wien (Urania-Sternwarte) verschiebt sich von 7:45 auf 7:25, der Sonnenuntergang von 16:11 auf 16:52 Uhr. Im Westen Österreichs sind die Auf- und Untergänge je nach geografischer Länge später, in Innsbruck z.B. um 20 Minuten

Völlig dunkel ist es bereits gegen 18:20, die tiefe Nacht währt knapp 13 Stunden. Die bürgerliche Dämmerung (Sonnentiefe 6°, Lesen im Freien möglich) dauert 35 Minuten, die nautische (-12°, am Meer sind Horizont und helle Sterne sichtbar) weitere 38 Minuten. In der anschließenden astronomischen Dämmerung (Sonne -12 bis -18°) wird der Himmel völlig dunkel, in Stadtnähe allerdings kaum mehr.

Der Abendhimmel im Jänner
Sternkarten für jede Stunde finden Sie in unserer Homepage https://www1.astroverein.at/beobachten, z.B. für 3 Uhr Sternzeit hier.
Gegen 17:30 Uhr (nautische Dämmerung) steigen im Osten bereits große Teile des Wintersechsecks empor: die helle Capella im Fuhrmann und der rote Aldebaran im Stier, unter ihm der Oberteil des Orion, weiter links die Zwillinge. Deren Hauptsterne Castor/Pollux und der Oriongürtel stehen beim Aufgang senkrecht – beim Untergang in Frühjahr hingegen waagrecht.
Aldebaran ist mit 65 Lichtjahren ein relativ naher Roter Riese und hat deshalb eine große Eigenbewegung von 0,1° pro Jahrhundert. Er ist 35x größer als die Sonne, aber nur halb so heiß. Er steht weit vor dem Sternhaufen der Hyaden, die als V rechts von ihm den Stierkopf bilden. Das Sternwölkchen oberhalb sind die Plejaden (Siebengestirn), von dem ein durchschnittliches Auge 5-6 Sterne erkennt. Die langen Hörner des Stiers zeigen nach links, Capella darüber (α im Fuhrmann) ist der fünfthellste Stern am Himmel und ein spektroskopischer Doppelstern mit 2,5 und 2,8 Sonnenmassen. Das enge Paar umkreist sich in nur 104 Tagen und ist zusammen 30x heller als unsere Sonne.

Im Westen ist noch das große Sommerdreieck Schwan-Leier-Adler zu sehen. Rechts der hellen Wega (α Lyrae) glühen die Augen des Drachen, dessen Z-förmiger Körper sich zum tief im Norden stehenden Großen Wagen windet.
Hoch im Süden stehen Andromeda und Pegasus (Herbstviereck), und fast im Zenit die Andromeda-Galaxie M31. Sie ist bei dunklem Himmel mit freiem Auge sichtbar. Ihr elliptischer Kern ist so hell, dass man ihn im Feldstecher auch in der Stadt erkennen kann. Wenn nicht, schreiben Sie Ihrem Bürgermeister oder dem Magistrat, dass die Straßenbeleuchtung spätestens um 22h gedämpft wird!

Unter Andromeda und Pegasus stehen die schwachen Sternbilder Fische und Cetus (Wal). Im SSW in 10° Höhe funkelt Fomalhaut, der hellste Stern im südlichen Fisch. Großteleskope konnten einen Staubring und einen jupitergroßen Exoplaneten nachweisen. Im Zenit leuchtet das W der Cassiopéia. 15° tiefer (östlich), auf halbem Weg zur Sternenkette im Perseus, erkennen gute Augen ein Nebelfleckchen – den Doppelsternhaufen h/Chi. Im Fernglas sind 10-20 Sterne zu erkennen, im Teleskop mehrere hundert.

Um 20 Uhr steht Capella bereits 70° hoch im Osten, darunter die Zwillinge Castor & Pollux. Durch beide Sternbilder steigt steil die Milchstraße empor, genau durch den Zenit (Perseus) und weiter zur Cassiopeia und zum Schwan im Nordwesten. Stadtbewohner sehen die Milchstraße fast nie, aber nur 10 km westlich von Wien – unserm Beobachtungsplatz über Tullnerbach – lässt sich das leicht nachholen.
Im Südosten ist nun der himmlische Jäger Orion hochgestiegen. Unter den drei Sternen seines Gürtels ist freiäugig der Orionnebel M42 als diffuser Fleck zu erkennen, ein riesiges Sternentstehungsgebiet in 1600 Lichtjahren Distanz. Langzeitaufnahmen zeigen rund um das Sternbild viele rötlich leuchtende Wasserstoffwolken, in denen jedes Jahr 1-2 neue Sterne entstehen.
Der Oriongürtel zeigt nach links zum horizontnah funkelnden Sirius, dem scheinbar hellsten Stern des Himmels. Er ist mit 8,6 Lichtjahren der achtnächste Stern. Zwar nur 2x größer als unsere Sonne, hat er aber wegen seiner 11.000° heißen Photosphäre die 22-fache Leuchtkraft.

Gegen 21 Uhr kulminieren die zwei bekannten Sternhaufen im Stier: die Hyaden als liegendes V beim roten Aldebaran, und rechts oberhalb die Plejaden mit ihren 5-6 dicht gedrängten Sternen. Ein scharfes Auge kann sogar 8-10 Sterne erkennen, insgesamt sind es 500.
Inzwischen steigt im Nordosten der Große Wagen empor. Seine oberen Kastensterne zeigen nach links zum Polarstern, seine unteren nach rechts zum aufgehenden Löwen. Im Südosten strahlt Sirius, der hellste Stern am Himmel, in der Verlängerung des Oriongürtels. Er ist 2x größer als unsere Sonne und 8 Lichtjahre entfernt. Manchmal funkelt er in allen Farben, weil die Luft die Bestandteile seines weißen Lichts unterschiedlich bricht. Sein kleiner Begleiter Sirius B war der erste, 1862 entdeckte weiße Zwerg. Bessel hatte ihn schon 1844 vermutet, weil er an Sirius winzige Positionsschwankungen feststellte.

Planeten und Mond (aus dem Österr. Astronomischen Almanach 2022)
• Merkur ist bis 15. Jänner mit dem Fernglas in der frühen Abenddämmerung zu sehen. Eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang steht er knapp 10° hoch im Südwesten, etwas rechts von Saturn. Am 4. wandert die zarte Mondsichel 3° südlich vorbei, am 7.1. erreicht Merkur 19° Elongation.
• Venus beginnt Mitte Jänner eine Morgensichtbarkeit, gegen Monatsende wird sie im Ostsüdosten schon recht auffällig.
• Mars geht um etwa 5:40 auf und wandert – nur 1.5 mag hell – vom Schlangenträger in den Schützen. Am 29.1. wandert der Mond 2° südlich vorbei.
• Jupiter im Wassermann steht zunächst in der Abenddämmerung noch 20° hoch im Südwesten, verschwindet aber Anfang Februar in den Sonnenstrahlen. Am 5. steht der Mond rechts unterhalb, am 6. links von ihm.
o Die 4 hellen Jupitermonde (siehe Astr. Almanach Seite 52-58) sind nur mehr schwach zu sehen.
• Saturn im Steinbock ist nur bis Monatsmitte tief im Südwesten zu sehen. Am 4.1. zieht die Mondsichel 4° südlich vorbei.
• Uranus im Widder ist in der ersten Nachthälfte zu sehen und beendet seine Oppositionsschleife. Zur Monatsmitte geht er gegen 2h unter.
• Neptun im Wassermann zieht sich allmählich vom Abendhimmel zurück. Untergang zur Monatsmitte um etwa 21 Uhr.
• Hellste Kleinplaneten: Ceres mit 7.9–8.3 mag im Stier, Iris (7.8 mag) in den Zwillingen; am 16.1.,19h nur 8’ südlich des Doppelsterns 68 Gem.
Mondphasen:
Neumond (Nr. 1225) am 2.1., bestes Erdlicht abends am 4.–5.1.; Erstes Viertel 9.1., Vollmond 17./18.1., Letztes Viertel 25.1., Neumond 1.2.
Konjunktionen (aus dem "Himmelsjahr")
• 04.1., 02h: Mondsichel 3° südlich von Merkur; um 17h 7° links
• 04.1., 08h: Erde im Perihel (Sonnennähe) in 147,105 Mill. km
• 04.1., 18h: Mondsichel 4° südlich von Saturn
• 06.1., 01h: Mond 4,5° südlich von Jupiter
• 07.1., 11h: Mond 4,1° südlich von Neptun
• 07.1., 12h: Merkur größte östliche Elongation (19,2°)
• 09.1., 02h: Venus in unterer Kulmination zur Sonne. Für erfahrenen Beobachter evtl.:
o 5 Tage vor-/nachher Sichel Ø 62" (tagsüber im Go-to-Teleskop, 10° neben Sonne)
• 11.1., 12h: Mond 1,4° südlich von Uranus
• 15.1., 24h: Merkur im Perihel
• 23.1., 07h: Venus im Perihel
• 23.1., 11h: Merkur in unterer Kulmination zur Sonne
• 29.1., 16h: Mond 2,4° südlich von Mars; um 7h Abstand 5,7°
• 30.1., 03h: Mond 10° südlich von Venus
• 31.1., 01h: Mond 7° südlich von Merkur
Schöne Messier-Objekte für Feldstecher oder Teleskop
• Im Schwan noch die Offenen Sternhaufen M39 und M29, im Pegasus der Kugelsternhaufen M15
• Andromeda/Perseus: Andromedagalaxie M31 -- hoch im Westen, daher auch in der Stadt; evtl. Dreiecksnebel M33
• nahe dem Zenit der Doppelsternhaufen h/chi Persei
• hoch im Süden die Plejaden und der Spiralnebel M74
• im Osten ab ca. 20h die offenen Sternhaufen M35 bis M38 (Fuhrmann, Zwillinge) und im Südosten der Orionnebel.

Aktuelle Kometen und die News aus Astronomie und Raumfahrt folgen in einigen Tagen.

Einführende Literatur:
• Hermann Mucke: Himmelskunde im Freiluftplanetarium Wien. Um 10 € bei Führungen des Astrovereins – und als Eintrittsgeschenk
• Sven Melchert: Alles über Astronomie , um 10 € im Kosmos-Verlag 2017
• Sky & Telescope: Astronomy for Beginners bzw. die wichtigsten Grundbegriffe (engl.)
• und fürs Nachdenken 30 unglaubwürdige Fakten zum Weltall: https://www.youtube.com/watch?v=u2dTM45D83E

Mit besten Grüßen
und dem Wunsch für ein gutes Jahr 2022,
Dr. Gottfried Gerstbach
Vorsitzender des ÖAV